Margit
Preis und die Stilvielfalt des versteckten
Realismus (2009) „Margit
Preis lebt und arbeitet in Wien und hat keinen
Stil.“ Ein ungewöhnliches und aus marketingtechnischer Sicht
vernichtendes
Urteil, welches sich aber seit Jahren wacker hält. Die Stilvielfalt
von Margit Preis ist
tatsächlich atemberaubend: Da findet sich ein verspielter,
körperlicher,
ja geradezu barocker Kubismus wechseln mit Götterbildern in
traditioneller
balinesischer Maltechnik (4), und der Wiener Aktionismus ist in Zyklen
wie Frohe
Ostern präsent, bei denen bemalte Männerhoden Modell
hingen (5). Margit
Preis kreiert Porträts, die an Kokoschka denken lassen (6),
abstrakte Werke,
die an die russische Avantgarde erinnern, traditionelle Akte (8),
kalligraphische Kleinode (9) und manchmal auch ganz einfache und naiv
dargestellte Szenen und Themen (10). Quer über die Jahre lassen
sich
verschiedene Zyklen und Schaffensstränge erkennen, zur eigenen
Familie (11), zu
Landschaften (12), zu Organen (13), zu Margit Preis
(Selbstporträts) (14) und
zu Österreich (15). Was will
uns die Frau sagen? Die Frage ist an sich
schon falsch. Margit Preis ist so nicht zu fassen. Es
existieren zwei sehr unterschiedliche Zugänge zur
Kunstproduktion: Zuhören oder Ausdrücken.
Margit
Preis ist dem Zuhören verpflichtet. Wer den Zeiten, Menschen und
Orten zuhört,
kann unmöglich immer gleich malen. Unterschiedliche Inhalte
verlangen
unterschiedliche Formen. Margit Preis dokumentiert. Sie malt, was die
Bilder
wollen, oder anders gesagt: „Es arbeitet sich.“ Das ist ein
philosophisches
Konzept, welches Anlehnungen an den Taoismus und Buddhismus nicht
verleugnen
kann, und bereits 1999 von Margit Preis und Dominik Dusek im Manifest
des
versteckten Realismus in Worte gefasst wurde: „Der versteckte
Realismus
verpflichtet sich, […] seinen Wirklichkeitsbezug nicht beweisen zu
wollen,
sondern darauf zu vertrauen, dass sich dieser zwangsläufig und
unerbittlich aus
den hemmungslos subjektiven Mosaikteilchen eines Werkes
herausschält.“ (vgl.
das vollständige Manifest unter http://www.margitpreis.at/manifest.html).
Margit
Preis kann mit Obsessionen nicht dienen, sie
löst sich vielmehr davon. Das verhilft vielen ihrer Bilder zu
einer
bemerkenswerten Leichtigkeit und Uneitelkeit, und es bringt die
Differenz zu
zahlreichen anderen modernen Künstlern auf den Punkt.
Künstler, die dem „Sich
Ausdrücken“ den Vorzug geben (vor dem „Zuhören“), tendieren
viel stärker dazu,
einen Stil, ein Motiv, ein Thema immer wieder zu verwenden. Ob das
Claude Monet
mit seinen Seerosen, Arnulf Rainer mit den Übermalungen, Hermann
Nitsch mit
seinen Blutbildern, Elke Krystufek mit ihren Selbstporträts oder
Gerhard Leixl
mit seinen Tango-Bildern ist: Hier sind KünstlerInnen am Werk, die
etwas
ausdrücken wollen, die sich permanent mitteilen müssen.
Margit Preis ist da
eindeutig abwechslungsreicher, und somit schwerer zu positionieren,
schwieriger
zu vermarkten und bei jeder Ausstellung für Überraschungen
gut. Die
Stilvielfalt von Margit Preis und Ihr Rückgriff
auf unterschiedlichste (Mal-)Traditionen sind zutiefst postmodern. Sich
der
Konstruiertheit von „Wirklichkeit“ bewusst sein und trotzdem auf die
Realität
referieren, das ist ein ironisches Spiel, welches einerseits wieder zum
Taoismus und Buddhismus führt und andererseits zu Umberto Eco und
seinen postmodernen
(und gut lesbaren) Romanen. Insofern ist es sicher kein Zufall,
dass
Margit Preis in Wien im Melker Hof lebt und arbeitet, wird doch auch
der Roman Il
Nome della Rosa von einem Mönch aus Melk erzählt: Der
Benediktinernovize
Adson de Melk bezeichnet sich selber als Schüler und Adlatus, er
ist am Puls
der Zeit und dokumentiert sensibel gewöhnliche wie
ungewöhnliche Ereignisse. Er
erzählt sine ira et studio, und so verschwimmen bei ihm
Objektivität und
Subjektivität. Margit
Preis schafft ähnlich wie Umberto Eco immer
wieder detailversessene und präzise Werke, die durch ihre
Vielschichtigkeit
einen enormen Bedeutungsüberhang im Betrachter hervorrufen. Womit
wir beim
Schlusssatz wären: „Margit Preis lebt und arbeitet in Wien und ist
viel zu gut,
um sich auf einen Stil festzulegen.“ Wien
2009 (1) Vgl. MP
00 / 2000 oder Domgasse 5 / 2006
Finalment: Es hat sich ausgemalt (2012) Abschließende Würdigung des Ouvres von Margit Preis. |
|